AM5 – Brief an Walter Gropius
Toblach, wahrscheinlich Mittwoch, 20. Juli 1910


[oben:] Ich liebe Dich über alle Grenzen hinaus – für immer. Wenn Du mich brauchen kannst, so hole mich — — — — — — ich bin bereit! Geliebter — Einziger – Wunderbarster Mensch – ich küsse Dich[.]

Mein geliebter – Wenn ich nur endlich schon die Antwort auf meine erste Karte von Dir hätte! Ich fühle mich bei jedem Wort, das Du unserm Dritten schenkst . . . beschämt . . . . ! –

Aber es muss werden! Ich erinnere mich, dass mir sagte, dass sie nicht glaube daran – weil wir zu heftig seien – !! – Später glaubte sie es dann selbst – wie sie mein Hoffen sah. Mein ganzes Eheleben – bestand aus einer Angst vor dem Kinde – jeden Monat zitterte ich und jetzt dieses Hoffen – und dieses Leid, weil es mir nicht widerfahren war . . . . !


Ich glaube, so irgend ein Jacob in der heil.[igen] Schrift, hält den erzürnten Gott am Kleid zurück und sagt: „Ich lasse Dich nicht[,] Du segnest mich denn . . . .“ Auch ich – ich glaube, ich wäre momentan ganz beruhigt und befriedet, wenn ich unser Kind unter dem Herzen tragen würde!! – Ich liebe Dich! –

– mit einer solchen Sicherheit liebe ich Dich – ich meine – ich bin meiner sicher! Ich fühle mich absolut nicht mehr zu Hause hier bei mir. Die noble Güte u. Zärtlichkeit erdrückt mich – ich kann sie nicht im Geringsten erwidern. Immer seh und höre ich Dich – ich weiß, dass Du zu mir gehörst – ich erhoffe, dass uns nichts trennen kann. All das Herrliche, unfassbar Schöne, das ich Deiner Liebe

verdanke – geht mir auf Schritt und Tritt nach. Weißt Du noch: „Bist Du denn ein Mensch:“ ? . . . . Ja – heute noch könnte ich zweifeln – wenn ich an dieses holde Lehren denke – so frei jedes „Schoneinmalerlebten“ – so künstlerisch – schöpferisch – wie Du Dich mir erwiesen hast . . . .

Mein lieber, lieber [,] es möge die Zeit kommen – in der ich Dir etwas sein dürfte – Dir helfen[,] das Leben tragen – und unsre Wonnen erleben – – – –

Ich denke – trachte – schreibe mir, ob es Dir

möglich sein wird – event. 15–16 August mich irgendwo – zu erwarten – vielleicht in Salzburg – es wäre das Nächste für Dich . . . . !! – Ein paar Tage und ein paar Himmelsnächte . . . und für eine kleine Weile wäre mir das Leben wieder leicht.

— Schreibe an p.[er] A.[dresse] Dir.[ektor] [,] Toblach Tirol. So lange[,] bis ich Gegenordre gebe – meine Freundin (von der ich Dir den Brief vorlas) kommt her und es erleichtert mir alles sehr. Heute war ich im Ort, Toblach[,] und holte mir 2 süße Briefe von Dir!! – Ich habe fast jedes Wort geküsst – zu jedem Wort, das Du schriebst – schreit meine Seele „Ja“ . . . !


Apparat

Überlieferung

, , , .

Quellenbeschreibung

2 Bl. (4 b. S.) – Briefpapier mit dunkelblauem Monogramm (Zum Material von Alma Mahler) aus den stilisierten Initialen AMs in Prägedruck ().

Beilagen

Umschlag, , Deutschland | A. M. 40 | poste restante | Timmendorferstrand | Lübecker Bucht; PSt. (lt. , S. 531, Nr. 112): TOBLACH 2 | 21 | 7 | 8 A | 10 | c; fremdschr. Datierungsversuch nach Übergabe an : „[21.7.1910]“.

Druck

Erstveröffentlichung.

Korrespondenzstellen

Beantwortet durch WG15 vom 23. Juli 1910 abends (Hast Du die Gräfin, Deine Freundin nicht zu weit eingeweiht): Schreibe an Gräfin Triangi.

Datierung

Absendedatum: „21.7.1910“ (, S. 39, Anm. 95 und S. 309).

Schreibdatum: Da unwahrscheinlich ist, dass AM5 und AM6 am selben Tag, dem 21. Juli 1910, geschrieben wurden (in dieser Zeit schrieb AM nicht zweimal täglich ohne Bezug zueinander), dürfte der vorliegende Brief AM5 eher am Vortag geschrieben worden sein. Außerdem bezog sich WG auf einen Brief vom Mittwoch, der am selben Tag wie AM6 vom Donnerstag ankam, s. WG14 vom 23. Juli 1910.

Übertragung/Mitarbeit


(Konstantin Krechting)
(Jannik Franz)


A

Antwort auf meine erste Karte – Die Antwort aus dem Briefentwurf WG4 vom 17. Juli 1910 auf die Briefkarte AM2 vom 16. Juli 1910 war noch nicht bei eingetroffen, weil WG4 erst am 22. Juli 1910 von expediert werden konnte, s. AMo1.

B

Jacob in der heil.[igen] Schrift – s. AT, 1. Mose 32,26f.

C

„Bist Du denn ein Mensch:“ ? . . . . – möglicherweise ein Hinweis auf Canios Arie „Vesti la giubba“ („Hüll’ dich in Tand“), besser bekannt unter dem Titel „Ridi pagliaccio“ („Lache, Bajazzo“) in der deutschen Übersetzung von Oper (Der Bajazzo), vgl. , S. 124–126.

D

Brief – unbekannt.

E

2 süße Briefe – Entwürfe unbekannt.